Geschlechtsumwandlung: Was ist das?
Geschlechtsumwandlung von Frau zu Mann oder von Mann zu Frau – was hat es damit auf sich? Wir erklären es euch!
Geschlechtsumwandlungen sind gesellschaftlich immer anerkannter – und die damit verbundenen Menschen der LGBTQ+-Community, trans* Menschen, gleich mit dazu! Dennoch gibt es bis heute noch sehr viele Unklarheiten für Leute, die selbst von dem Thema nicht betroffen sind. Was meint Geschlechtsumwandlung im Detail? Was hat es mit trans*, bzw. Transgender, bzw. Transsexualität auf sich? Die Aufzählung zeigt, dass hier eine Menge Erklärungsbedarf besteht. 😉 Wir haben uns das Thema für euch genauer angeschaut und erklären, was das alles bedeutet!
Transsexualität - Was bedeutet das?
Im Zusammenhang mit Geschlechtsumwandlungen (bzw. Geschlechtsangleichungen) wird häufig von Transsexualität gesprochen. „Trans“ bedeutet „hindurch, hinüber, hinaus“ und meint also in dem Zusammenhang, dass aus dem einen Geschlecht hinüber in das andere gewechselt wird. Es ist das Gegenteil von „cis, was „diesseits“ bedeutet. Ein cis-Mann ist demnach ein Mensch, der sich seinem zugeordneten Geschlecht auch zugehörig fühlt.
Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren können, das ihnen bei der Geburt zugeteilt wurde (Mann, Frau, neuerdings auch divers), nennt man deswegen sehr schnell „transsexuell“. Dabei muss man den Begriff auseinanderbröseln, da er als Sammelbegriff für sehr viele unterschiedliche Menschen und Identitäten genutzt wird.
- Transsexuelle: Ein Begriff, der 1923 eingeführt wurde. Er wird in Deutschland im rechtlichen Kontext verwendet und meint Personen, die sich dem anderen körperlichen Geschlecht zugehörig fühlen und nicht dem, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden. Manche Menschen lehnen aber den Begriff ab, da die Endung, also „-sexualität“, andeutet, es handle sich um eine sexuelle Orientierung (wie bei Homo- oder Heterosexualität).
- Transgender (auch Trans*gender): Der Begriff meint Menschen, die sich nicht – oder auch nur teilweise nicht – mit dem Geschlecht identifizieren, dass bei ihrer Geburt zugeordnet wurde. Im Gegensatz zu Transsexualität steht hierbei „Gender“, also das soziale, anerzogene Geschlecht, im Vordergrund. Er wird auch teilweise als Oberbegriff für non-binäre Personen verwendet, da Transgender auch meinen kann, dass ein Mensch sich mit keinem der binären Geschlechter (Frau und Mann) identifiziert. Was aber nicht heißt, dass Transgender-Personen ihr Geschlecht hormonell oder operativ ändern möchten!
- Transidentität: Bei dem Begriff wird betont, dass es sich bei dem Thema trans* um die Identifikation mit dem anderen Geschlecht handelt – nicht um eine Sache der Sexualität. „Transsexuelle Menschen“ und „transidente Menschen“ werden gerne mal synonym verwendet. Auch dieser Begriff ist in der Community nicht unumstritten: Er suggeriere, dass der Körper unwichtig wäre bei dem Thema, so Kritiker*innen. Andere stören sich daran, dass „Identität“ danach klinge, als hätte sich die betroffene Person ausgesucht, trans* zu sein. Eine Problematik, die viele Menschen in der queeren Community leider nur zu gut kennen!
- Transgeschlechtlichkeit: Dieser Begriff wird von Menschen als Mischung aus Transgender und Transsexualität verwendet. Es sollen also beide Seiten, das soziale wie auch das körperliche, mitgedacht werden.
- Transvestit*in: Ein immer noch genutzter, aber sehr schwieriger Begriff. Gemeint sind Menschen, die Kleidung tragen, die für das „andere Geschlecht“ gemacht sind (wenn beispielsweise eine cis-Frau einen Anzug trägt). Gründe hierfür sind vielseitig, von Fetisch bin hin zum Kostüm. Die Bezeichnung ist schwierig, weil sie früher gerne im Zusammenhang mit einer psychischen Störung bzw. generell diskriminierend verwendet wurde. Wertfreier ist der Begriff „Cross-Dressing“.
- Transfrauen bzw. Transmänner: Eine Person, die sich als Frau bzw. als Mann definiert, obwohl ihr bei der Geburt das jeweils andere Geschlecht zugeordnet wurde.
- Trans*: Wie sich in der Auflistung hier zeigt, ist der Begriff rund um Trans – gelinde gesagt – ziemlich diskutiert! Damit sich kein Mensch ungehört oder nicht dargestellt fühlt, wird versucht durch trans* („trans Sternchen“ ausgesprochen) einen Stamm zu nutzen, um die nachfolgenden Begriffe alle „mitgedacht“ zu haben.
Was meint Geschlechtsumwandlung genau?
Leidet ein Mensch unter dem Geschlecht, dass bei der Geburt zugeordnet wurde, heißt das in der Fachsprache „Geschlechtsinkongruenz“. Die Person fühlt sich im falschen Körper, was auf Dauer zu einem großen psychischen Leidensdruck führen kann. Aus diesem Grund gibt es die Geschlechtsumwandlung, die eigentlich „geschlechtsangleichende Operation“ heißt, kurz GAOP.
Mithilfe von Hormonen und chirurgischer Eingriffe können Ärzt*innen heutzutage die körperlichen Merkmale eines Menschen anpassen, sodass sie dem männlichen bzw. weiblichen Geschlecht entsprechen. Diese Operation ist nicht nur für den Menschen und dessen Körper ein großer Eingriff – auch das medizinische Personal ist entsprechend der Herausforderung sehr groß!
- Ein*e Arzt*Ärztin übernimmt die plastische Chirurgie, also den operativen Eingriff
- Unterstützt werden diese meist von einem*einer Urologen*Urologin (für männliche Geschlechtsorgane) bzw. einem*einer Gynäkologen*Gynäkologin (für weibliche Geschlechtsorgane)
- Gefäß- und Nervenchirurg*innen sind dabei sowie
- Ein*e Endokrinolog*in (für die Hormonbehandlung)
- Zuletzt ein*e Psycholog*in, der*die den Menschen bei dem Prozess begleitet
Voraussetzungen für die Geschlechtsumwandlung
Die Geschlechtsumwandlung kann nicht mal eben so durchgeführt werden – ihr werden einige rechtliche Grenzen gesetzt. Diese sind:
- Altersgrenze
- Psychotherapeutische Behandlung
- Zwei Gutachten bei Erwachsenen
- „Anzeige der Notwendigkeit einer Geschlechtsumwandlung“ von medizinischem Personal
- Empfehlung: 12 Monate in angestrebter Geschlechterrolle leben
- Empfehlung: 6-8 Monate gegengeschlechtliche Hormonbehandlung
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie hat festgesetzt, dass ein Mensch für eine Geschlechtsumwandlung zunächst volljährig, also 18 Jahre alt sein muss. Die Einnahme von Hormonen ist jedoch schon ab 16 Jahren möglich.
Allerdings werden auch die Hormone nicht frei verteilt: Vorher muss der Mensch eine psychotherapeutische Behandlung vorweisen. Damit soll sichergegangen werden, dass der Mensch wirklich den Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung und keine „Phase“ hat. Dies gilt allerdings nicht für intersexuelle Menschen (bzw. inter* Menschen): Diese können schon kurz nach der Geburt einer Operation unterzogen werden, wenn sie Geschlechtsmerkmale beider gesellschaftlich festgelegten Geschlechter (Mann und Frau) haben. Warum das so problematisch ist und was Inter* überhaupt bedeutet, haben wir in einem anderen Artikel für dich beschrieben.
Entscheidet sich eine Person erst nach dem 18. Lebensjahr für eine Geschlechtsumwandlung, kommen andere Schritte dazu. Erwachsene benötigen zwei Gutachten, die von Außenstehenden bestätigen, dass sie transsexuell (bzw. transgeschlechtlich) sind. Weiterhin braucht es eine „Anzeige der Notwendigkeit einer Geschlechtsumwandlung“ von einem*einer Arzt*Ärztin, die sich in dem Bereich auskennt und den*die Patient*in schon länger kennt.
Zusammengefasst wird die Geschlechtsidentität und damit einhergehend auch das von außen sichtbare Geschlecht weniger von dem Menschen selbst, sondern von externen Personen entschieden. Allerdings kann beispielsweise die Therapie auch als unterstützender Faktor gesehen werden: Somit kann sich eine Meinung hinzugeholt werden, die etwaige psychische Probleme ausschließt und dabei hilft, sich mit dem eigentlich empfundenen Geschlecht auseinanderzusetzen.
Geschlechtsumwandlung von Frau zu Mann
Wie sich an dem involvierten medizinischen Personal und an den vielen notwendigen Schritten vor einer Geschlechtsumwandlung zeigt, ist das Ganze ein ziemlich krasser Eingriff an dem Körper. Was genau passiert bei der Geschlechtsumwandlung von einer „weiblich“ bestimmten Person zu einer „männlich“ gelesenen?
- Die Gebärmutter und die Eierstücke werden entfernt
- Die Scheidenhaut wird entfernt und die Scheide verschlossen
- Die Klitoris wird gestreckt, die Harnröhre wird aus den kleinen Schamlippen von der weiblichen Harnröhrenöffnung bis zur Klitorisspitze verlängert (dadurch wird das Wasserlassen im Stehen ermöglicht)
- Anschließend folgt der Aufbau des Penoids (penisähnliches Gebilde) auf zwei unterschiedlichen Arten, die mit dem medizinischen Personal besprochen werden
- Die Eichel wird nachgebildet durch eine spezielle Schnittführung und Transplantation eines Hautstreifens
- Hodenprothesen aus Silikon werden in einem Hodensack eingesetzt, der aus den großen Schamlippen besteht
- Eine Errektionsprothese wird eingesetzt – auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten
Die Beschreibungen des Ablaufs versuchten wir, so verständlich wie möglich zu halten. Natürlich (!) musst und wirst du bei einer Geschlechtsangleichung mit dem medizinischen Personal oft und lange sprechen. Die werden dir noch einmal sehr viel genauer sagen, was alles passiert. So kann es auch sein, dass bestimmte Eingriffe gar nicht oder anders durchgeführt werden als hier aufgezählt. Es handelt sich allerdings in jedem Fall um mehrere Eingriffe, die notwendig sein und sich über mehrere Monate hinziehen werden.
Geschlechtsumwandlung von Mann zu Frau
Auch der Eingriff von einer „männlich“ bestimmten Person zu einer „weiblich“ gelesenen ist sehr umfangreich und besteht aus mehreren Eingriffen, die sich über Monate hinziehen. Ein möglicher Ablauf ist folgender:
- Die Hoden, Nebenhoden und der Samenstrang werden entfernt
- Die zwei großen Schwellkörper vom Penis werden entfernt
- Die „Neovagina“ wird zwischen Enddarm und Blase bzw. Prostata angelegt. Dabei wird sie mit der umgestülpten Penisschafthaut und öfter auch mit einem Hauttransplantat vom Hodensack ausgekleidet
- Aus der Eichel wird die Neoklitoris geformt, die nur noch zu ungefähr einem Drittel aus der Haut schaut
- Aus der Vorhaut des Penis werden die kleinen Schamlippen gebildet
- Aus Teilen des Hodensacks werden die Schamlippen angelegt
- Die Harnröhre wird verkürzt und an die Stelle unterhalb der Klitoris eingenäht
- Nach der ersten Operation wird in der nächsten der Eingang der Neovagina begradigt und erweitert
- Bildung eines verschiebbaren Klitorishäubchens aus dem vorderen Teil der kleinen Schamlippen
- Aufbau des Schamhügels durch Fettgewebe
- Weitere Korrekturen, falls notwendig
Die Operationen und ihr Erfolg sind auch vom individuellen Körper abhängig. So oder so wird es viele lange Gespräche mit dem medizinischen Personal geben, solltest du dich zu einer operativen Geschlechtsangleichung entscheiden! Die aufgeführte Liste haben wir so verständlich, wie möglich gehalten und nicht jeder Schritt MUSS bei dir notwendig sein, es ist aber genauso möglich, dass noch weitere oder andere Schritte auf dich zukommen. Die Liste ist lediglich als Übersicht gedacht, um dir eine ungefähre Vorstellung zu geben.
Risiken einer Geschlechtsumwandlung
Wie jeder andere operative Eingriff sind auch geschlechtsangleichende Operationen nicht frei von Risiken. Diese werden dir alle in den Gesprächen mit medizinischem Personal genannt, wir nennen dir hier nur ein paar mögliche, damit du dich auf etwaige Probleme schon vorher einstellen und dich damit auseinandersetzen kannst:
- Komplikationen bei der Harnröhre: kleine Löcher, Verengungen, Aussackungen. Führt zu weiteren Operationen zwecks Korrektur
- Probleme mit den Implantaten: Verrutschen, Infektionen. Kann dazu führen, dass die Implantate ausgetauscht oder vorübergehend entfernt werden müssen
- Sehr selten: Absterben des Penoids (Penisnachbildung) oder kleine Wundheilungsstörungen
- Veränderung des körperlichen bzw. sexuellen Empfindens
Geschlechtsumwandlungen in der Gesellschaft
Geschlechtsumwandlungen und der Umgang mit trans* Menschen mögen zwar immer mehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein, der Weg ist aber immer noch sehr lang! Das zeigt sich schon an Formulierungen, wie „sie war früher ein Junge“ oder „er möchte gerne eine Frau sein“. Schwierig, weil die Person sich schon immer als Mädchen empfunden hat, aber als Junge großgezogen wurde und das zweite Beispiel deutet nur an, dass es sich bei einer Geschlechtsumwandlung um eine einfache Entscheidung handelt – dabei hat kein cis-Mann oder eine cis-Frau von sich entschieden, genau das zu sein, oder? 😉 Es ist einfach so, keine Entscheidungen notwendig!
Inzwischen ist die Transgender-Community fester Bestandteil der LGBTQ+-Community und setzt sich dafür ein, dass die Rechte und Bedürfnisse von trans* Personen gehört und gesehen werden. Als Symbol wedeln diese Menschen die Trans-Pride-Flag, deren Farben alle eine bestimmte Bedeutung haben. Was diese und andere LGBTQ+-Flags bedeuten, haben wir bereits für dich zusammengefasst.
Vereine, wie Trans-Ident e.V. bieten Beratungstermine für Menschen an, die sich mit dem Thema der Transsexualität bzw. Transidentität auseinandersetzen wollen – egal, ob sie selbst von dem Thema betroffen sind oder Angehörige in ihrer Umgebung. Telefonisch erreichbar ist der Verein von 17 – 19 Uhr unter den Nummern 0170 - 7405249 oder 09875 – 1288, alternativ können auch digital Termine vereinbart werden.
Über Dr. Sommer:
Das Dr. Sommer-Team steht seit über 50 Jahren für kompetente Sexual-Aufklärung und Jugendberatung unter dem Dach der Marke BRAVO. Das Team ist beratend tätig und unterstützt bei Themen wie Pubertät, sexuelle Identität, Beziehungen, physische und psychische Gesundheit, Liebe, Sexualität und Entwicklung. Dennoch ersetzt unsere Beratung nicht den Besuch bei Facharzt oder -Psychologen. Hast du eine Frage an unser Team? Schreib uns unter: drsommerteam@bravo-family.de