Geschlechtsidentität – was ist das?
Bei Geschlechtsidentität denken viele noch an männlich/weiblich. Dabei gibt es viel mehr als nur diese beiden!
In der Gesellschaft und den Medien wurden lange Zeit nur zwei Geschlechtsidentitäten präsentiert: männlich und weiblich. Immer mehr wird dieses binäre Verständnis von Geschlecht aufgebrochen – von Menschen, die nicht in diese beiden Schubladen passen (oder passen wollen) und auch von manchen Medien. Doch wovon ist überhaupt die Rede, wenn es um Geschlechtsidentitäten geht? Welche Geschlechtsidentitäten gibt es? Und: Handelt es sich dabei um etwa nur um einen Trend? Wir haben diese Fragen für euch beantwortet!
Was meint Geschlechtsidentität?
Gerade in der queeren Community (LGBTQ+) ist der Begriff „Geschlechtsidentität“ ziemlich bekannt und ein wichtiges Thema. Wieso dort? Weil viele Leute sich über diesen Begriff gar keine großen Gedanken machen, wenn sie nicht selbst davon betroffen sind. Dabei haben wir alle eine Geschlechtsidentität! Doch ein Mensch, der bei seiner Geburt als „männlich“ bestimmt wurde und sich selbst auch so definiert, hat weniger Grund, sich mit dem Thema innerlich auseinanderzusetzen, als ein Mensch, der sich mit seinem bestimmten Geschlecht nicht definiert.
Geschlechtsidentität meint also das Wissen, welches Geschlecht man selbst hat. Das kann, muss aber nicht mit dem Geschlecht übereinstimmen, das für einen bei der Geburt bestimmt wurde. Übrigens: Die eigene Geschlechtsidentität hat nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun, auch wenn sie gerne mal miteinander über einen Kamm geschert wird. 😉
Was für Geschlechtsidentitäten gibt es?
Seit wenigen Jahren gibt es ganz offiziell in Deutschland das Dritte Geschlecht – das ist allerdings „lediglich“ für Inter* Menschen gedacht, was noch einmal ein ganz anderes Thema ist! Und die Bandbreite an möglichen Geschlechtsidentitäten wird auch mit diesem dritten Geschlecht (und schon gar nicht mit „männlich/weiblich“) nicht abgegolten.
Wie viele Geschlechtsidentitäten es insgesamt gibt, ist kaum zu beantworten, da es sich dabei um ein inneres Gefühl handelt, das schwerlich auf eine begrenzte Kategorienanzahl festgelegt werden kann. Vorgefertigte Kategorien sind in diesem Kontext auch eher ein Problem für viele Menschen. Denn wer nicht „ganz klar“ männlich oder weiblich ist – weder für sich selbst noch für außenstehende – der ist erstmal „anders“. 🙄 Für manche Geschlechtsidentitäten gibt es inzwischen allerdings schon Begriffe:
- Non-Binär: Auch „nicht-binär“. Menschen, die sich so definieren, sehen sich als weder männlich noch weiblich. Das kann bedeuten, dass sie sich zwischen den Geschlechtern verorten, oder gar keinem der beiden Geschlechter zugeordnet werden möchten.
- Agender: Menschen, die sich als agender definieren, haben gar kein Geschlecht bzw. fühlen sich keinem Geschlecht zugehörig und können ggf. mit dem Konzept dahinter (bspw. Erwartungshaltungen an ein Geschlecht) nichts anfangen.
- Bigender: Diese Personen haben zwei Geschlechtsidentitäten (bspw. männlich und weiblich), die in unterschiedlichen Kombinationen und gleichzeitig oder abwechselnd auftreten können.
- Genderfluid: Bei Menschen, die sich als genderfluid definieren, ist die Geschlechtsidentität wandelbar, bspw. durch Zeit oder Situationen.
- Genderqueer: Dieser Begriff wird als Dach für verschiedene Formen der Nicht-Binärität verwendet. Gemeint sind Menschen, die nicht in das binäre Geschlechtssystem passen (wollen) und deren Geschlecht nichts mit „männlich“ oder „weiblich“ zu tun hat.
- Cis: Das sind Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihr bei der Geburt zugeordnet wurde (Cis-Mann, Cis-Frau). Es ist das Gegenteil von Trans*.
- Trans*: Der Begriff meint Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde. Nach dieser Definition fallen auch einige eben genannte Geschlechtsidentitäten unter Trans*.
Sind Geschlechtsidentitäten ein Trend?
Manche Menschen sind der Meinung, Geschlechtsidentität sei ein Begriff der Neuzeit – und in Teilen haben sie wohl damit recht. Denn den Begriff „Geschlechtsidentität“ (und Begriffe für die verschiedenen Geschlechtsidentitäten) gibt es noch nicht lange. Zweifellos gab es aber schon sehr viel länger Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizierten, dass ihnen die Gesellschaft auferlegt hat. Es fehlte einfach an Möglichkeiten, sich anders auszudrücken und zu leben. Dabei kam es nicht nur auf die Zeit an, in der man lebte, sondern auch auf die Kultur!
- In Thailand gibt es einen eigenen Begriff für Trans* Menschen: Kathoey
- In Indien leben hijiras, Menschen, die ganz offiziell weder Mann noch Frau sind
- Indigene Gesellschaften hatten teilweise vier Geschlechter
- Albanien hat burrnesha – Frauen, die die Rolle des Mannes im Haushalt übernehmen und auch als Mann in der Gesellschaft behandelt werden
Die Beispiele zeigen, dass die Vorstellung, es gebe nur Mann und Frau ziemlich beschränkt ist und mehr mit unserer eigenen Kultur zu tun hat als mit irgendwelchen „Gesetzen der Natur“. Liebe und Geschlecht sind eben vielfältig!
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