"Loki"-Kritik: "Lächerlich, feige und schwach!"
„Loki“ brachte uns einen bisexuellen Helden. War’s das jetzt erstmal an LGBTQ+-Inhalt in Marvel-Produktionen?
„Loki“ ließ schon vor Veröffentlichung viele Herzen innerhalb der LGBTQ+-Community höherschlagen, als es in einem kurzen Teaser hieß, der Marvel-Held sei genderfluid (würde sein Geschlecht also stetig ändern). 🌈 Noch besser wurde es, als er in Folge 3 der Disney-Show ganz offen zugab, dass er bisexuell sei! Allerdings wurde nicht mehr viel aus diesem Thema gemacht, weswegen sich viele Fans fragen, was aus seiner Bisexualität in Staffel 2 noch so wird. Nun hagelt es Kritik gegen Marvel – und vor allem den Mutterkonzern Disney – für die Darstellung queerer Lebensrealitäten in ihren Filmen und Serien. Beziehungsweise: dem Fehlen genau dieser. Kann man von Marvel in Zukunft etwas mehr erwarten?
„Loki“: Bisexualität ein Randthema
Die Augen vieler queerer Fans auf der ganzen Welt leuchteten bei diesem Dialog zwischen Loki und seiner Variante Sylvie in Folge 3 auf:
Loki: „Apropops Liebe: Wartet am Ende dieses Kreuzzugs ein glücklicher Verehrer auf dich?“
Sylvie: „Ja, den gibt es tatsächlich. […] Wie sieht es mit dir aus? Du bist ein Prinz. Da muss es viele Möchtegern-Prinzessinnen gegeben haben. Oder vielleicht einen Möchtegern-Prinzen?“
Loki: „Ein bisschen von beidem. Ich nehme dasselbe bei dir an.“
Da war der Beweis, dieser kurze Dialog machte vielen queeren Menschen ein wenig Hoffnung darauf, dass ihre Lebensrealitäten fern der Heteronormativität (nach der es u.a. nur zwei Geschlechter und nur Heterosexualität gebe) nun im Mainstream gezeigt werden. Mehr als das: im „Haus der Maus“, Disney! Ein großer Schritt, immerhin hat sich Disney beim Thema Queerness über die letzten Jahre nicht gerade mit Ruhm bekleckert und dem Unternehmen wurde bereits mehr als einmal Queerbaiting vorgeworfen. Was folgte, war viel Begeisterung von der queeren Community und einige Schulterklopfer von den Beteiligten hinter der Disney-Show. Unter anderem Director Kate Herron, die bisexuell ist, schrieb auf Twitter, wie stolz sie auf diese Szene sei: „Es war mir sehr wichtig, mein Ziel quasi, dass Loki als bisexuell anerkannt wird. Es ist ein Teil von ihm, genau wie es ein Teil von mir ist.“ Was in den kommenden drei Folgen zum Thema Queerness folgte, war … nichts. Und erneut mussten LGBTQ+-Fans feststellen, dass mit ihren Hoffnungen gespielt wurde.
Harte Kritik von „Queer As Folk“-Creator
In einem Gespräch mit Schauspielerin Jill Nalder, äußerte Russel T Davies (Creator von queeren Serien, wie „It’s a Sin“ und der britischen Version von „Queer As Folk“) harte Kritik. Nicht nur gegen Disney und deren fehlende Repräsentation von queeren Menschen in ihren Serien und Filmen. Sondern auch über die Tatsache, dass so große und mächtige Unternehmen für die kleinsten Gesten gefeiert werden. „Ich denke, dass die Alarmglocken läuten müssen, wenn Giganten wie Netflix und vor allem Disney+ aufsteigen“, so Davies. „Loki erwähnt einmal, dass er bisexuell ist und alle sagen: ‚Oh mein Gott, das ist ja wie eine pansexuelle Serie!‘. Es ist nur ein Wort. Er sagte das Wort ‚Prinz‘ und wir sollten sagen: ‚Danke, Disney! Bist du nicht wundervoll?‘“ Seiner Meinung nach handle es sich bei der Szene um eine „lächerliche, feige und schwache Geste gegenüber der wichtigen Politik und der Geschichten, die erzählt werden sollten.“
Was kann man von Marvel noch erwarten?
Es ist bezeichnend, dass „Loki“ zwar einmal erwähnte, bisexuell zu sein, seine Romanze allerdings am Ende (mal wieder) mit einer offensichtlich weiblichen Person entsteht. Nun kann man sagen: „Es ging in der Show auch um Selbstliebe und das zeigt ja eigentlich die Romanze zwischen Loki und seiner Variante.“ Fein, aber Sylvie ist so offensichtlich komplett anders als Loki in so vielen Dingen, dass wir kaum von Selbstliebe reden können, wenn sich die beiden küssen. Mal wieder ist es am Ende aller Tage eine heteronormative Geschichte, die hier erzählt wird – und das nicht zum ersten Mal, weit über Disney und Marvel hinaus. Die Frage ist, was die LGBTQ+-Community in Zukunft von Marvel über Anspielungen hinaus erwarten kann.
In „The Falcon and the Winter Soldier“ blieb es bei reinen (und sehr obskuren) Andeutungen, dass Bucky bi sein könnte. Wie schon länger bekannt ist, wurde jede Anspielung auf Valkyries Queerness aus „Thor: Tag der Entscheidung“ herausgeschnitten. Und auch Disney behält queere Figuren lieber im Hintergrund, deutet sie höchstens mal an, gibt ihnen aber sicher nicht die Hauptrolle. Zumindest bisher nicht. Wieder einmal können Mitglieder der LGBTQ+-Community sich nur über kleine Brotkrümel freuen, über falsche Hoffnungen und ins Nichts führende Andeutungen ärgern – und auf die Zukunft blicken. Eine erste offiziell queere Superheldin könnte am Horizont warten. Und ausgehend von den queeren Sex-Szenen, die es nicht in die erste Staffel von „Loki“ geschafft haben, können wir zumindest hoffen, dass sie in Staffel 2 ein wenig mehr Beachtung erhalten. Denn genau das haben queere Menschen genauso verdient, wie alle anderen: Beachtung. 🌈