Badmómzjay Interview: "Ich dachte, weiter als mein Kinderzimmer komme ich nicht"
Mit 22 Jahren ist Badmómzjay aus der deutschen Hip-Hop-Szene kaum mehr wegzudenken. Wie sie es geschafft hat, ganz nach oben zu kommen, erzählt sie im BRAVO-Interview. 💪🏻
Innerhalb kürzester Zeit eroberte Jordan "Jordy" Napieray, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Badmómzjay, die deutschen Charts und die Hip-Hop-Szene. Egal ob mit Künstler*innen wir Juju, Kasimir1441, Kool Savas oder in ihren Solo-Werken – in ihrer Musik thematisiert sie neben Sexismus und Vorurteilen immer wieder ihre Kindheit:
Aufgewachsen ist sie in Brandenburg an der Havel, ihre Familie hatte wenig Geld, früh outete sie sich als bisexuell...
All das führte zu Mobbing, Diskriminierung und Ausgrenzung.
Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – ernannte sie das Onlinemagazin Hiphop.de mit nur 17 Jahren zu "einer der spannendsten Nachwuchsrapperinnen der Deutschrap-Szene". Fünf Jahre später feiert sie jetzt den Release ihres zweiten Solo-Albums "Survival Mode".
Wir haben ihm Rahmen des Telekom Street Gigs mit Jordy über ihre Träume gesprochen, die Kraft zu sich selbst zu stehen und die Schattenseiten des Ruhms.
Badmómzjay im Interview
Liebe Jordy, in deinem Song „Struggle Is Where We From“ startest du mit: „Was weißt du von mir? Was weißt du von Struggle, von kein‘ Geld für Strom?“ Du machst in deinen Songtexten oder in Interviews kein Geheimnis daraus, dass es früher nicht immer easy war für dich und deine Familie. Inwiefern prägt dich das noch heute?
Es prägt mich sehr. Es ist mein ganzes Fundament, es ist, wie ich aufgebaut bin, wie ich aufgewachsen bin. Teilweise vermisse ich das auch sehr. Ich bin ein sehr dankbarer Mensch und ich weiß, dass mir das Geld und der Ruhm Freiheit geben. Die Freiheit meiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen, ihnen bessere Dinge und die Welt zeigen zu können. Aber tatsächlich vermisse ich es manchmal nichts zu haben. Ich konnte früher jeden Tag bei meiner Familie sein. Jetzt muss ich permanent meine Leute zurücklassen, weil ich viel unterwegs bin. Ich bin kaum zu Hause, aber dafür können wir alle frei sein. Deswegen ist es eine Waage aus Fluch und Segen.
Wie beeinflusst dieser Background deine Musik?
Ich erwähne ihn immer. Ich vergesse nie, wo ich herkomme. Mir ist es wichtig, das miteinzubauen, damit die Leute sehen, dass man es auch schaffen kann, wenn man nichts hat. Diese Message ist mir am wichtigsten. Dass die Leute meine Musik hören und immer wieder daran erinnert werden: ‚Sie ist von da, von wo wir kommen. Aber sie ist jetzt da und deshalb schaffe ich das auch‘.
Gerade weil du diese Message transportierst, bist du für viele ein Vorbild. Wie fühlt sich das an?
Das ist ja nichts, was man sich aussucht. Wenn du erfolgreich und bekannt bist, bist du automatisch ein Vorbild. Du kannst das nicht ablegen und sagen ‚Ne, das möchte ich jetzt aber nicht sein‘. Es ist manchmal schon viel, weil man sich einerseits selbstverwirklichen möchte und sein will, wer man ist. Andererseits muss man sich aber auch darüber bewusst sein, wer das alles sieht, wie jung diese Menschen sind und welche Haltung ich transportieren möchte. Ich finde aber, dass ich diesen Spagat ziemlich gut hinbekomme: Ich bin ich und haue auch mal auf die Kacke, bin mal laut und viel und trotzdem habe ich meine Haltung, meine Message.
Du sprichst selbst gerade von Haltung: Deine Texte sind ehrlich, emotional und vor allem unverblümt. Was hoffst du bei deinen Zuhörer*innen damit auszulösen?
Ich glaube, ich versuche auszulösen, dass die Leute sich daran erinnern, dass es noch viele Probleme in der Welt gibt, für die man kämpfen sollte. Dass man immer wieder aufstehen und weitermachen sollte. Dass sie den Mut finden, ihre Stimme zu nutzen.
Hast du immer daran geglaubt, dass du mal an dem Punkt bist, an dem du jetzt bist?
Nein, zu 100 Prozent nicht. Die kleine Jordy ist so stolz und freut sich so sehr, weil sie sich das alles niemals erträumt hätte.
Was hat sie stattdessen geträumt?
Ich bin ehrlich: Die kleine Jordy dachte, sie würde für immer in ihrem kleinen Zimmer sein, sie würde nie die Welt sehen, sie würde für immer in derselben erdrückenden Umgebung feststecken. Und jetzt bin ich jeden Tag an einem neuen Ort, an dem ich nie dachte, jemals sein zu dürfen. Ich dachte weiter als mein Kinderzimmer komme ich nicht.
Wenn du könntest, was würdest du deinem jüngeren Ich in deinem kleinen Zimmer mit auf den Weg geben?
Dass ich mir mehr vertrauen kann. Und ich würde sagen ‚Alles wird gut‘. Dass würde ich der kleinen Jordy immer wieder sagen, ‚Alles wird gut‘. Ich weiß, das klingt sehr stumpf und das sagt einem jeder. Aber: Es wird tatsächlich alles gut werden, wenn du nur daran glaubst.
Würdest du rückblickend irgendwas anders machen? Denkst du darüber überhaupt nach?
Ne, ich denke da tatsächlich nicht darüber nach. Ich stehe jetzt da, wo ich hingehöre.
Du sagst selbst, dass du nicht immer so selbstbewusst warst wie jetzt. Wie hast du es dennoch geschafft, deinen Weg so zu gehen und dich zu beweisen?
Ich glaube, mir blieb einfach nichts anderes übrig. Ich wollte niemandem die Genugtuung geben, dass er oder sie mich kleinbekommen hat.
Aber woher nimmst du die Kraft dafür?
Hmmm. Ich liebe mich, ich glaube an mich und deswegen bin ich mir einfach in allem, was ich tue und sage so sicher. Klar, auch das war ein Prozess. Aber ich war schon immer ein Kind, dass eine starke Meinung hatte und davon konnte man mich nur sehr schwer abbringen. Wenn ich etwas gefühlt habe, dann war das so. Punkt. Ich habe immer gesagt, was Sache ist. Dafür musste ich auch viel einstecken. Aber das ist, glaube ich, einfach meine Gabe: Man kriegt mich nicht unter! Es gibt diese Momente nicht, in denen ich glaube, was jemand anderes über mich sagt, in denen ich aufgebe oder kapituliere.
Unbeirrt weiterzumachen, sich nichts vorschreiben lassen: Hast du einen Tipp, wie das jede*r schafft?
Ich glaube, man sollte immer auf sein erstes Gefühl hören. Deine Intuition ist das Allerwichtigste. Deine innere Stimme ist deine, man muss nur darauf hören. Aber klar, wenn Leute in deinem Umfeld, die du sehr liebst, denen du vertraust, auf dich zu kommen und sagen ‚Hey, das war gerade nicht so cool‘, dann sollte man sich das auch anhören und sein Verhalten reflektieren. Doch am m Ende würde ich trotzdem auf meine Intuition hören, auf das Gefühl, das mir sagt, ob etwas gerade richtig oder falsch ist.
Sich in der Branche zu beweisen ist nicht einfach. Du hast in einem anderen Interview mal gesagt, dass Frauen noch immer mehr leisten müssen, um sich zu beweisen als Männer. Hast du das Gefühl, dass sich das ändert?
Ich habe nicht das Gefühl, dass sich das ändert, aber wir sind auf jeden Fall mehr Frauen geworden, worauf ich sehr stolz bin. Sie trauen sich mehr, gehen eher ihren Weg und machen ihr Ding. Aber es gibt noch viel zu tun.
Äußert sich Sexismus dir gegenüber jetzt mit all dem Erfolg anders als noch vor ein paar Jahren?
Ich denke, hinter den Kulissen ist alles noch genau gleich. Nur öffentlich müssen mich die Leute supporten, weil man gar nicht drum herumkommt, weil so viele Frauen so erfolgreich sind. Wie ich: Ich habe mein Standing, ich bin erfolgreich und das kannst du mir öffentlich einfach nicht absprechen. Es ist Fakt.
Aber hinter den Kulissen hat sich gar nichts getan?
Naja, vielleicht nicht nichts, aber das Problem sitzt einfach viel zu tief. Denn es geht nicht nur um Frauen im Musik-Business, die anderes behandelt werden, sondern es ist überall. Es ist in jedem Job so, in jedem Haushalt, hinter jeder Tür – es sitzt einfach zu tief.
Du lässt dich nicht unterkriegen. Gerade erst kam dein neues Album „Survival Mode“ raus. Bist du eine Person, die plant? Wie geht es jetzt weiter, was ist dein nächstes Ziel?
Ich kann noch nichts Genaueres sagen, aber es wird noch mehr Musik kommen und es wird eine Tour geben. Es ist super viel geplant und ich dachte letztes Jahr, dass wir viel gemacht, super viel gearbeitet haben und dass noch mehr nicht geht. Aber nächstes Jahr wird es noch mehr und ich weiß, dass wir es schaffen werden, und ich freue mich darauf!
Das heißt mehr Jordy for all of us?
Absolut! Man wird mich nur noch mehr sehen!
Interview: Yannick Werani